Metaprogramme in der Personalauswahl: Der komplette Leitfaden

Lernen Sie, wie Sie mit Metaprogrammen unbewusste Motivations- und Wahrnehmungsmuster Ihrer Kandidaten erkennen – und so bessere Personalentscheidungen treffen.

Aktualisiert: Januar 2025 | Von Dipl.-Psych. Ralph Köbler | Lesezeit: ca. 15 Minuten

Was sind Metaprogramme?

Metaprogramme sind unbewusste Filter unserer Wahrnehmung, die die Art und Weise organisieren, wie wir denken, uns motivieren und kommunizieren. Sie bestimmen, welche Informationen jemanden motivieren, welche Sprachmuster Interesse wecken und welche Merkmale der Informationsverarbeitung bevorzugt werden.

Warum Metaprogramme für Recruiting?

  • Role Fit erkennen: Welches Metaprogramm-Profil braucht die Position wirklich?
  • Unbewusste Muster sichtbar: Kandidaten konzentrieren sich auf Inhalte, nicht auf die Form ihrer Antworten
  • Interview-Effizienz: In 10 Minuten ein präzises Persönlichkeitsbild gewinnen

Die Geschichte der Metaprogramme

Ohne die Arbeiten von C.G. Jung direkt zu kennen entwickelten Leslie Lebeau (früher Leslie Cameron-Bandler) und David Gordon das Modell der Metaprogramme in den 1980er Jahren aus dem Bestreben, Klienten kontextübergreifend zu verstehen.

Die erste Veröffentlichung erfolgte 1981 im Master Practitioner Participant Manual. Später wandten Experten wie Rodger Bailey, Shelle Rose Charvet und Wyatt Woodsmall das Modell in verschiedenen Bereichen an, darunter Business Assessment und Consulting.

Seit 2004 stehen wissenschaftlich fundierte psychometrische Tests auf Basis des Metaprogramm-Modells zur Verfügung, wie z.B. der CDAQ© (British Psychological Society) und die esc Potenzialanalyse von potenzial.at.

Wichtig zu wissen

  • Bipolare Muster: Jedes Metaprogramm ist ein Kontinuum (z.B. 70% Zielmotivation / 30% Problemlösung)
  • Kontextabhängig: Verhaltensvorhersagen gelten nur im Kontext der gestellten Fragen
  • Keine Wertung: Es gibt keine "guten" oder "schlechten" Metaprogramme – nur passend oder unpassend für den Kontext
  • Kombinationen zählen: Die Wechselwirkung mehrerer Metaprogramme macht die Persönlichkeit aus

Die 10 wichtigsten Metaprogramme für Recruiting

1 Ziel- und Problemlösungsmotivation (Hin-Zu / Weg-Von)

Die Kernfrage: Was treibt jemanden an – das Erreichen von Zielen oder das Lösen von Problemen?

Zielmotivation Symbol: Person mit positivem Blick nach vorne

Zielmotivation (Hin-Zu)

Merkmale:

  • Motiviert durch Visionen und attraktive Zukunftsvorstellungen
  • Spricht über Ziele und was erreicht werden möchte
  • Verwendet "wollen", "hätte gerne", "möchte"
  • Zukunftsorientierte Gestik, häufiges Lächeln

Ideal für: Führung mit Strategie & Planung, Projektmanagement, Vertrieb, Beratung

Problemlösungsmotivation Symbol: Person mit kritischem, problemorientiertem Blick

Problemlösungsmotivation (Weg-Von)

Merkmale:

  • Motiviert durch Problemlösung und Vermeidung unerwünschter Situationen
  • Spricht über Probleme und Herausforderungen
  • Verwendet "müssen", "sollen", "brauchen"
  • Angespannterer Körper, ausgrenzende Gesten

Ideal für: Qualitätsmanagement, Controlling, Buchhaltung, Security, Risikomanagement

Erkennungsfrage im Interview

"Wenn Sie auf die letzten Jahre zurückblicken: Was ist Ihnen in Ihrer Arbeit wirklich wichtig?"

Vertiefung: "Warum ist Ihnen [genannter Wert] wichtig?" oder "Was ist Ihnen daran besonders wichtig?"

Tipp: Bei 3-5 Werten nachfragen, dann "zusammenrechnen" für Gesamtbild (z.B. 70% Hin-Zu / 30% Weg-Von)

Durchschnitt (Bezugsgruppe): 55% Zielmotivation / 45% Problemlösungsmotivation (n=1.216, potenzial.at)

2 Gleichklangfaktor und Veränderungsblick (Matching / Mismatching)

Die Kernfrage: Nimmt jemand zuerst Gemeinsamkeiten oder Unterschiede wahr?

Gleichklangfaktor (Matching)

Merkmale:

  • Erkennt zuerst Ähnlichkeiten und Gemeinsamkeiten
  • Kann sich leicht an Gesprächspartner anpassen
  • Verwendet Komparative: "besser", "intensiver"
  • Gut in evolutionären Verbesserungen

Ideal für: Verkauf, Kundenorientierung, Teambuilding, Coaching

Veränderungsblick (Mismatching)

Merkmale:

  • Erkennt zuerst Unterschiede und Abweichungen
  • Kritischer Blick, erkennt Unstimmigkeiten
  • Verwendet "aber", "ganz anders", "unterschiedlich"
  • Bevorzugt radikale Veränderungen

Ideal für: Controlling, Lektorat, Software-Testing, Change Management, Consulting

Erkennungsfrage im Interview

"Wie ist die Beziehung zwischen [Wert X] und [Wert Y]?"

Alternative: "Wie ist die Beziehung zwischen Ihrer ersten und zweiten Arbeitsstelle?"

Beobachtung: Achten Sie auch auf spontane "Ja, aber..."-Formulierungen während des gesamten Interviews

Durchschnitt (Bezugsgruppe): 62% Gleichklangfaktor / 38% Veränderungsblick (n=1.216)

3 Prozessfokus und Personenorientierung

Die Kernfrage: Organisiert jemand seine Arbeit um Prozesse oder um Menschen?

Prozessfokus Symbol: Diagramm und Systeme

Prozessfokus (Sachorientierung)

Merkmale:

  • Hauptfokus auf Produkten, Prozessen, Fakten
  • Menschen werden selten oder unpersönlich erwähnt ("man")
  • Wenig emotionaler Ausdruck
  • Strategischer, abstrakter Blick

Ideal für: Management (statt Leadership), operatives Controlling, Sachbearbeitung

Personenorientierung Symbol: Menschen und Beziehungen

Personenorientierung

Merkmale:

  • Menschen und deren Gefühle stehen im Vordergrund
  • Spricht über Emotionen, nennt Namen
  • Drückt Gefühle verbal und nonverbal aus
  • Prozesse werden als Aspekte handelnder Personen beschrieben

Ideal für: Agile Führung (Leadership), Coaching, Training, kreative Berufe

Erkennungsfrage im Interview

"Erzählen Sie mir von einer konkreten Arbeitssituation, wo [genannter Wert] voll und ganz erfüllt war."

Vertiefung: "Was hat Ihnen daran gefallen?"

Achten Sie auf: Werden Menschen erwähnt? Werden Gefühle ausgedrückt? Mindestens 3 Werte hinterfragen!

Durchschnitt (Bezugsgruppe): 43% Personenorientierung / 57% Sachorientierung | Männer: 41% / 59%, Frauen: 49% / 51%

4 Entscheidungsfähigkeit und Dienstleister-Faktor (Internal / External)

Die Kernfrage: Woher weiß jemand, ob er gute Arbeit geleistet hat – von innen oder von außen?

Entscheidungsfähigkeit Symbol: Selbstbestimmte Person

Entscheidungsfähigkeit (Internal)

Merkmale:

  • Beurteilt Qualität seiner Arbeit selbst
  • Antwortet mit "Ich weiß es selbst..."
  • Benötigt kein Lob, trifft schnelle Entscheidungen
  • Körpersprache: zeigt auf sich, sitzt aufrecht

Ideal für: Führung (ideal: 60% internal), Recruiting, Controlling, Qualitätsmanagement

Dienstleister-Faktor Symbol: Feedback-orientierte Person

Dienstleister-Faktor (External)

Merkmale:

  • Macht Qualität an Feedback von außen fest
  • Antwortet mit "Am Feedback von...", "Wenn Kunden zufrieden sind..."
  • Benötigt Lob, offen für Feedback
  • Körpersprache: beobachtet Reaktion, neigt sich vor

Ideal für: Verkauf, Marketing, Kundendienst, Rezeption, Active Sourcing

Erkennungsfrage im Interview

"Woher wissen Sie, dass Sie gute Arbeit geleistet haben?"

Durchschnitt (Bezugsgruppe): 47% Entscheidungsfähigkeit / 53% Dienstleister-Faktor

5 Aufbaufokus und Kontinuität (Optional / Prozedural)

Die Kernfrage: Wird jemand durch Aufbauarbeit oder durch Routinearbeit motiviert?

Aufbaufokus Symbol: Innovation und neue Wege

Aufbaufokus (Optional)

Merkmale:

  • Liebt es, Systeme und Prozeduren zu entwickeln
  • Antwortet mit Liste: "Weil 1., weil 2., weil 3."
  • Beschreibt Möglichkeiten, nicht Tatsachen
  • Warum-Einstellung: "Warum ist das wichtig?"

Ideal für: Beratung, Leadership, Marketing, Produktentwicklung, Projektleitung

Kontinuität Symbol: Bewährte Prozesse und Routinen

Kontinuität (Prozedural)

Merkmale:

  • Hält sich gerne an bewährte Methoden
  • Antwortet mit Geschichte: "Nun, das war so..."
  • Orientiert sich an Tätigkeiten und Tatsachen
  • Wie-Einstellung: "Wie funktioniert das?"

Ideal für: Verkauf, Management, Produktion, Verwaltung, Qualitätsmanagement

Erkennungsfrage im Interview

"Warum haben Sie sich für [aktuellen Arbeitgeber] entschieden?"

Wichtig: Nur abgeschlossene berufliche Entscheidungen der Vergangenheit erfragen!

Durchschnitt (Bezugsgruppe): 54% Aufbaufokus / 46% Kontinuität | Wichtigstes Muster zur Unterscheidung Leadership vs. Management

6 Proaktiv und Reflektiv

Die Kernfrage: Ergreift jemand die Initiative oder wartet er ab?

Proaktiv Symbol: Handlungsorientierte Macher-Person

Proaktiv

Merkmale:

  • Macherpersönlichkeit, treibt unternehmerisch an
  • Kurze Sätze, spricht über ihr Handeln als "Ursache"
  • Handelt spontan, entscheidet "aus dem Bauch"
  • Bevorzugt Telefon gegenüber E-Mail

Ideal für: Verkauf, Outbound, Projektleitung, PR, Marketing, unternehmerische Verantwortung

Reflektiv Symbol: Nachdenkliche, analysierende Person

Reflektiv

Merkmale:

  • Denkerpersönlichkeit, analysiert gründlich
  • Lange, verschachtelte Sätze, Passivformen
  • Beobachtet erst, handelt dann
  • Bevorzugt E-Mail gegenüber Telefon

Ideal für: Kundendienst, Inbound, Empfang, Verwaltung, Forschung, Analyse

Erkennungsfrage im Interview

"Beschreiben Sie mir Ihre typische Arbeitsweise."

Dieses Muster kann während des gesamten Interviews beobachtet werden – achten Sie auf Energie-Level und Sprachstruktur

Ideal für Führung: 50-70% proaktiv (nicht zu extrem!)

7 Überblicks- und Detailorientierung

Die Kernfrage: Arbeitet jemand lieber im Überblick oder mit konkreten Details?

Überblicksorientierung Symbol: Person mit Big Picture Blick

Überblicksorientierung

Merkmale:

  • Liebt den Überblick und konzeptuelle Arbeit
  • Kurze, angebundene Antworten ohne Details
  • Präsentiert nicht-linear, springt zwischen Themen
  • Geht deduktiv vor (Top-Down)

Ideal für: Führung, Projektleitung, Strategieberatung, Finanzentscheidungen, Personalentwicklung

Detailorientierung Symbol: Person mit Lupe und Details

Detailorientierung

Merkmale:

  • Sehr gut in Detailarbeit
  • Lange, ausführliche Antworten mit vielen Details
  • Handelt sequenziell, Schritt für Schritt
  • Geht induktiv vor (Bottom-Up)

Ideal für: Buchhaltung, Lohnverrechnung, Qualitätskontrolle, Backoffice, Chemiker

Erkennungsfrage im Interview

"Beschreiben Sie mir Ihre typische Arbeitsweise."

Beobachtung: Wenn Antworten regelmäßig mehrere Minuten dauern = hohe Detailorientierung

Durchschnitt (Bezugsgruppe): 76% Überblick / 24% Detail (n=1.216, SD=24%)

8 Konzeptfokus und Praxisorientierung

Die Kernfrage: Arbeitet jemand lieber abstrakt/konzeptionell oder konkret/praktisch?

Konzeptfokus Symbol: Person mit abstrakten Ideen

Konzeptfokus

Merkmale:

  • Theoretisch, konzeptionell, hohe Abstraktionsfähigkeit
  • Phantasievoll, intuitiv
  • Redet über Ideen, Strategien, Konzepte
  • Beschreibt inneres, subjektives Erleben

Ideal für: Forschung, strategische Planung, Innovation, Konzeptentwicklung

Praxisorientierung Symbol: Person mit praktischen Werkzeugen

Praxisorientierung

Merkmale:

  • Bodenständig, faktenorientiert
  • "Gesunder Menschenverstand"
  • Konkrete Beschreibung der Arbeitsweise
  • Fokus auf praktische Aspekte statt Ideen

Ideal für: Verkauf (Kundennähe!), Handwerk, Produktion, technische Umsetzung

Erkennungsfrage im Interview

"Beschreiben Sie mir Ihre typische Arbeitsweise."

Beobachtung: Konzeptfokus = abstrahiert die Frage, redet über Ideen | Praxisorientierung = konkrete Beschreibung

Durchschnitt (Bezugsgruppe): 55% Praxis / 45% Konzept (n=1.216, SD=23%)

9 Resilienz: Misserfolgstoleranz

Die Kernfrage: Wie verarbeitet jemand Misserfolge und Kritik?

Misserfolgstoleranz ist keine bipolare Skala, sondern eine unipolare Dimension von niedrig bis hoch ausgeprägt. Sie beschreibt, wie emotional neutral oder positiv Misserfolge verarbeitet werden können.

Resilienz: Misserfolgstoleranz Symbol

Niedrige Misserfolgstoleranz

Merkmale:

  • Verdrängt Misserfolge, lernt weniger daraus
  • Misserfolgsgefühle kommen bei Erinnerung wieder hoch
  • Reduzierte Lernprozesse
  • Emotional negativ besetzte Erinnerungen

Entwicklungspotenzial: Coaching kann Misserfolgstoleranz stärken

Hohe Misserfolgstoleranz

Merkmale:

  • Verarbeitet Misserfolge emotional neutral bis positiv
  • Schildert aus Lernperspektive
  • Hat inneren Abstand zu Misserfolgsgefühlen
  • Erinnert sich nur an "Lehrgeld", nicht an negative Gefühle

High-Performer-Potenzial: Ideal für alle anspruchsvollen Positionen

Erkennungsfrage im Interview

"Beschreiben Sie mir eine Situation, wo Sie einen schweren Misserfolg erlebt haben. Wie genau war das?"

Alternative: "Haben Sie Situationen erlebt, wo erwartete Erfolge ausgeblieben sind?"

Durchschnitt (Bezugsgruppe): 68% Misserfolgstoleranz (n=1.216, SD=21% | Männer: 71%, Frauen: 63%)

10 Resilienz: Belastbarkeit

Die Kernfrage: Bleibt jemand auch unter Stress gelassen und handlungsfähig?

Belastbarkeit ist eine unipolare Skala und beschreibt die Fähigkeit, konstant hohe Leistung auch unter schwierigen Bedingungen zu erbringen.

Resilienz: Belastbarkeit Symbol

Niedrige Belastbarkeit

Merkmale:

  • Schwankungen in der Produktivität
  • Neigt zum Grübeln und "Probleme wälzen"
  • Geht intensiv in Gefühle hinein
  • Kommt nicht leicht in neutralen Zustand zurück

Vorteil für Kreativität: Kann in künstlerischen Bereichen von Vorteil sein

Hohe Belastbarkeit

Merkmale:

  • Bleibt gelassen und handlungsfähig unter Stress
  • Gute emotionale Selbstregulation
  • Zeigt Gelassenheit, bleibt kognitiv "cool"
  • Emotionale Flexibilität: kann Gefühle regulieren

Exzellente Stressresistenz: Für Führung & anspruchsvolle Positionen

Erkennungsfrage im Interview

"Erzählen Sie mir von einer konkreten Arbeitssituation, die Ihnen Schwierigkeiten bereitet hat. Wie genau war das?"

Wichtig: Erlebnisaktivierung beobachten! Die Situation sollte innerlich erneut erlebt werden – achten Sie auf nonverbale Signale

Durchschnitt (Bezugsgruppe): 72% Belastbarkeit (n=1.216, SD=22% | Männer: 74%, Frauen: 68%)

Metaprogramme im Interview richtig nutzen

Der optimale Gesprächsablauf

  1. Phase 2A – Fachlicher Teil (CV-Besprechung): Besprechen Sie die berufliche Vergangenheit des Kandidaten. Hier können Sie bereits erste Fragen zu Aufbaufokus/Kontinuität einstreuen.
  2. Übergang zu Phase 2B – Persönlichkeitsteil: Wenn der Kandidat bei der Gegenwart ankommt, leiten Sie über mit: "Wenn Sie auf die letzten Jahre zurückblicken: Was ist Ihnen in Ihrer Arbeit wirklich wichtig?"
  3. Werte erfragen und vertiefen: Sammeln Sie 3-5 Werte des Kandidaten. Spiegeln Sie zurück: "Okay, Ihnen ist also wichtig: [Liste]. Was ist Ihnen darüber hinaus noch wichtig?"
  4. Metaprogramme systematisch abfragen: Nutzen Sie die Werte als Ausgangspunkt für Vertiefungsfragen zu allen 6 Metaprogrammen.
  5. Beobachtung während des gesamten Gesprächs: Gleichklang/Veränderung und Proaktiv/Reflektiv zeigen sich durchgehend in Sprache und Körpersprache.

Die wichtigsten Interview-Techniken

Bei Metaprogramm-Fragen ist nicht der Inhalt der Antworten wichtig, sondern die Art und Weise, wie geantwortet wird. Kandidaten konzentrieren sich auf den Inhalt – Sie achten auf Sprachstruktur, Wortwahl und Körpersprache.

Beispiel: Bei "Warum ist Ihnen Teamklima wichtig?" achten Sie nicht darauf, dass Teamklima wichtig ist, sondern wie die Antwort formuliert wird (Hin-Zu oder Weg-Von?).

Zielmotivation: Zielorientierte Gestik (erst zur Körpermitte, dann nach vorne), Nicken, entspannter Körper, häufiges Lächeln, motiviert klingende Stimme

Problemlösungsmotivation: Angespannterer Körper, ausgrenzende Gesten, leichtes Kopfschütteln, weniger Lächeln

Tipp: Achten Sie auf Kongruenz zwischen Inhalt und Körpersprache. Wenn beides nicht übereinstimmt, fragen Sie tiefer nach!

Fragen Sie bei jedem Metaprogramm mindestens 3-5 Werte oder Situationen ab. Die Antworten können unterschiedlich ausfallen. Dann bilden Sie im Geiste ein Gesamtbild:

  • Zielmotivation überwiegt (ca. 70%)
  • Ausgeglichen (ca. 50/50)
  • Problemlösungsmotivation überwiegt (ca. 70%)

Eine höhere Messgenauigkeit (z.B. 73% / 27%) bietet nur eine wissenschaftlich fundierte Potenzialanalyse.

Viele Kandidaten empfinden, dass das Gespräch durch den Persönlichkeitsteil erst richtig an Tiefe und Qualität gewinnt. Stellen Sie Metaprogramm-Fragen authentisch und mit echtem Interesse an den Motiven und Wertevorstellungen des Bewerbers.

Spürt der Kandidat Ihr echtes Interesse, wird er darauf eingehen, was den Rapport verstärkt.

Wichtige Hinweise

  • Keine "Prüfung": Metaprogrammfragen dienen dem besseren Verständnis, nicht als Test
  • Kontextabhängig: Verhalten kann je nach Kontext (Arbeit/Privat) variieren
  • Keine universelle "Erfolgspersönlichkeit": Erfolgreiche Menschen kennen ihre Stärken und bleiben authentisch
  • Kombinationen beachten: Die Wechselwirkung mehrerer Metaprogramme ist entscheidend

Wie Metaprogramme interagieren: Wichtige Kombinationen

Die wahre Persönlichkeit zeigt sich in der Kombination verschiedener Metaprogramme. Hier sind die wichtigsten Wechselwirkungen für Recruiting:

Günstige Kombination

Veränderungsblick + Zielmotivation

Sie erkennen Unstimmigkeiten (Mismatching), haben aber sofort im Blick, wie man es in Zukunft besser machen könnte (Hin-Zu). Ideal für Change Management und Leadership.

Herausfordernd

Veränderungsblick + Problemlösungsmotivation

Blick auf Probleme wird durch Mismatching noch verstärkt. Kritik kann destruktiv wirken. Wichtig: Kritik konstruktiv gestalten, auf Lösungen fokussieren.

Ausgleichend

Gleichklang + Problemlösungsmotivation

Stärken im Beziehungsaufbau (Matching), aber auch Blick für Probleme. Problemlösungsmotivation kompensiert fehlende Mismatching-Wahrnehmung. Gut für kundenorientierte Qualitätssicherung.

"Rosa Brille"

Gleichklang + Zielmotivation

Im Gleichklang und eher unkritisch. Schwächerer Blick für Probleme. Kann durch hohe Detail-Orientierung oder Graves4 "Recht & Ordnung" ausgeglichen werden.

Leadership vs. Management: Die entscheidende Kombination

Leadership (Mitarbeiterentwicklung): Personenorientierung + Aufbaufokus + moderate Entscheidungsfähigkeit (60/40)
Management (operative Umsetzung): Sachorientierung + Kontinuität + höhere Entscheidungsfähigkeit

Häufige Fragen zu Metaprogrammen

Ja, Metaprogramme lassen sich im Interview gut einschätzen – allerdings nicht mit der Präzision einer wissenschaftlichen Potenzialanalyse. Die Interview-Technik erlaubt Ihnen eine Einschätzung in groben Kategorien (z.B. "Zielmotivation überwiegt", "ausgeglichen", "Problemlösungsmotivation überwiegt").

Für eine präzise Messung in 10%-Schritten (z.B. "73% Zielmotivation / 27% Problemlösungsmotivation") benötigen Sie eine psychometrische Potenzialanalyse wie die esc Potenzialanalyse. Diese erreicht durch Forced-Choice-Format und Normgruppenvergleich deutlich höhere Messgenauigkeit.

Empfehlung: Nutzen Sie Metaprogramm-Fragen im Interview für ein erstes Persönlichkeitsbild. Bei Schlüsselpositionen ergänzen Sie durch eine wissenschaftlich fundierte Potenzialanalyse.

Obwohl beide Modelle Wurzeln in C.G. Jungs psychologischen Typen haben, wurden Metaprogramme unabhängig vom MBTI entwickelt – aus der praktischen Arbeit mit Klienten durch Leslie Lebeau und David Gordon.

Hauptunterschiede:

  • MBTI: Typen-Modell (16 feste Typen), primär für Selbstreflexion entwickelt
  • Metaprogramme: Kontinuum-Modell (unendlich viele Kombinationen), speziell für Assessment & Coaching
  • MBTI: Kategorisierung (entweder/oder)
  • Metaprogramme: Prozentuale Ausprägungen (z.B. 70% / 30%), kontextabhängig

Metaprogramme sind für Recruiting präziser, weil sie feinere Nuancen erfassen und positionsspezifisch eingesetzt werden können.

Im Interview ist Verfälschung schwierig, da nicht der Inhalt, sondern die Form der Antworten analysiert wird. Kandidaten konzentrieren sich auf das "Was", Sie achten auf das "Wie" (Sprachstruktur, Körpersprache, Stimmklang).

Manche Metaprogramme haben eine "Image-Variante": Zielmotivation (Hin-Zu) wird oft als wünschenswerter empfunden. Deshalb sind Vertiefungsfragen und Kongruenz-Prüfung entscheidend: Stimmen Körpersprache, Stimmklang und Inhalt überein? Wenn nicht, fragen Sie tiefer nach.

Bei psychometrischen Tests mit Forced-Choice-Format (wie der esc Potenzialanalyse) wird Verfälschung zusätzlich durch die Testmethodik erschwert: Kandidaten müssen zwischen gleich attraktiven Aussagen wählen, was soziale Erwünschtheit minimiert.

Die wichtigsten Metaprogramme für Führungspositionen:

  1. Entscheidungsfähigkeit (Internal): Ideal sind 60% internal / 40% external. Führungskräfte sollten eigene Entscheidungen treffen können, aber auch offen für Feedback sein.
  2. Aufbaufokus vs. Kontinuität: Unterscheidet Leadership (Aufbaufokus, Mitarbeiterentwicklung) von Management (Kontinuität, operative Umsetzung).
  3. Proaktiv: Ideal sind 50-70% proaktiv (nicht zu extrem!). Führungskräfte müssen Initiative ergreifen, aber auch reflektieren können.
  4. Personenorientierung: Für agile Führung / Leadership wichtiger, für klassisches Management weniger relevant.

Faustregel: Leadership-Positionen brauchen mehr Personenorientierung + Aufbaufokus. Management-Positionen brauchen mehr Sachorientierung + Kontinuität.

Metaprogramme sind relativ stabil, aber nicht unveränderlich. Wichtige Faktoren:

  • Kontextabhängigkeit: Im Arbeitskontext können andere Metaprogramme dominieren als im Privatleben
  • Zustandsabhängigkeit: Bei Stress können sich Metaprogramme verändern (z.B. mehr Weg-Von unter Druck)
  • Entwicklung: Durch bewusste Reflexion und Training können Metaprogramme langfristig beeinflusst werden
  • Lebenserfahrung: Mit zunehmendem Alter und Erfahrung entwickeln sich manche Metaprogramme weiter

Für Recruiting bedeutet das: Metaprogramme zeigen tendenzielle Verhaltensmuster, sind aber keine absoluten Vorhersagen. Erfragen Sie immer den spezifischen Arbeitskontext ("Was ist Ihnen in Ihrer Arbeit wichtig?"), nicht allgemein.

Die Literatur beschreibt 15-20 verschiedene Metaprogramme, je nach Autor und Anwendungsbereich. Für Recruiting sind die hier vorgestellten 6 Metaprogramme die relevantesten:

  1. Ziel- und Problemlösungsmotivation
  2. Gleichklangfaktor und Veränderungsblick
  3. Prozessfokus und Personenorientierung
  4. Entscheidungsfähigkeit und Dienstleister-Faktor
  5. Aufbaufokus und Kontinuität
  6. Proaktiv und Reflektiv

Weitere Metaprogramme (weniger recruiting-relevant): Detail vs. Überblick, Zeitfokus (Vergangenheit/Gegenwart/Zukunft), Beziehungsfokus (Individuum/Team/System), etc. Diese werden in spezialisierten Kontexten (Coaching, Teamentwicklung) eingesetzt.

Basierend auf der Bezugsgruppe von 1.216 esc Potenzialanalysen (2017-2018) zeigen sich nur geringe geschlechtsspezifische Unterschiede:

  • Ziel- und Problemlösungsmotivation: Keine bedeutenden Unterschiede (alle im einstelligen Prozentbereich)
  • Gleichklang und Veränderung: Keine nennenswerten Unterschiede
  • Prozessfokus und Personenorientierung: Frauen tendenziell etwas personenorientierter (49% vs. 41% bei Männern)
  • Entscheidungsfähigkeit: Männer ca. 6% höher in Entscheidungsfähigkeit
  • Aufbaufokus und Kontinuität: Keine bedeutenden Unterschiede

Fazit: Geschlecht ist kein guter Prädiktor für Metaprogramme. Individuelle Unterschiede sind deutlich größer als Gruppenunterschiede. Beurteilen Sie jeden Kandidaten individuell!

Ein strukturiertes Bewerbungsgespräch kombiniert 3 Ebenen:

  1. Fachliche Kompetenz (Phase 2A): Besprechen Sie berufliche Erfahrungen, Qualifikationen, fachliche Fähigkeiten. → "Kann er/sie die Arbeit machen?"
  2. Persönlichkeit via Metaprogramme (Phase 2B): Erfragen Sie Motivations- und Wahrnehmungsmuster im Arbeitskontext. → "Wie wird er/sie die Arbeit machen?"
  3. Cultural Fit via Werte & Graves-Level: Prüfen Sie Passung zur Unternehmenskultur. → "Passt er/sie zu uns?"

Empfohlener Zeitanteil: 30% Phase 2A (fachlich), 50% Phase 2B (Persönlichkeit), 20% Cultural Fit. Metaprogramm-Fragen liefern tiefere Einblicke als reine Kompetenzen!

Wenn Kandidaten Schwierigkeiten mit abstrakten Fragen haben (z.B. "Was ist Ihnen wichtig?"), nutzen Sie Konkretisierungs-Techniken:

  • Konkrete Situationen erfragen: "Erzählen Sie von einer Arbeitssituation, wo Sie besonders motiviert waren."
  • Vergleiche nutzen: "Was war der Unterschied zwischen Ihrer ersten und zweiten Stelle?"
  • Beispiele geben: "Manche Menschen sagen 'Teamklima', andere 'Karrierechancen' – was trifft auf Sie zu?"
  • Zeit geben: "Nehmen Sie sich einen Moment. Es gibt keine richtige oder falsche Antwort."

Alternative: Bei Schlüsselpositionen ergänzen Sie das Interview durch eine esc Potenzialanalyse, die alle Metaprogramme objektiv misst – unabhängig von der Artikulationsfähigkeit des Kandidaten.

Weiterführende Ressourcen:

Bücher:

  • "Neue Wege im Recruiting" von Ralph Köbler (Haufe Verlag) – Das Praxisbuch zu Metaprogrammen & Gravesmodell im Recruiting
  • "Words That Change Minds" von Shelle Rose Charvet (Business-Anwendung)
  • "Figuring Out People" von Woodsmall & Woodsmall (Theoretische Fundierung)

Praktische Anwendung:

Metaprogramme in der Praxis erleben

Lernen Sie Ihre eigenen Metaprogramme kennen – oder nutzen Sie die esc Potenzialanalyse für wissenschaftlich fundierte Persönlichkeitsdiagnostik im Recruiting.

Dipl.-Psych. Ralph Köbler

Über den Autor

Dipl.-Psych. Ralph Köbler ist Geschäftsführer von potenzial.at und Autor des Fachbuchs "Neue Wege im Recruiting: Mehr Treffsicherheit und Effektivität mit Gravesmodell und Metaprogrammen" (Haufe Verlag). Mit über 20 Jahren Erfahrung in Personaldiagnostik und Organisationsentwicklung hat er die esc Potenzialanalyse entwickelt, die Metaprogramme und Gravesmodell wissenschaftlich fundiert kombiniert.

Kontakt aufnehmen | LinkedIn